Die üppigen Landschaften der kroatischen Baranja gelten als wildreich und ihre Bewohner als gastfreundlich. Oliver Dorn besuchte mit zwei Freunden die Region an der ungarischen Grenze zur Rotwildbrunft.

„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen“ – das wusste schon der deutsche Dichter Matthias Claudius im 18. Jahrhundert. Der Zusammenhang von Reisen und Beschreiben ist seitdem längst zu einer literarischen Gepflogenheit, ja zum Genre geworden. Was dem Reisenden heute der Reflexion des Erlebten dient, ist dem Leser morgen Unterhaltung und Anregung zugleich. Das wiegt gleich doppelt schwer, wenn die Reise im Kreise zweier Freunde – Patrick und Boray – unternommen wird und das gemeinsam Erlebte beim Schreiben wieder lebendig wird.

Der Wecker klingelt am Morgen um 04:15 Uhr. Das ist schmerzhaft an diesem ersten Tag, aber auch notwendig, weil wir eine Weile fahren müssen, um ins Revier zu gelangen. Das Revier ist rund 2 800 Hektar groß und gilt, so unser Jagdführer Miro, als sehr wildreich und durch alte Jagdschneisen als gut erschlossen. Es dämmert schon, als wir uns im Revier treffen und uns für die Morgenpirsch vorbereiten. Die Brunft sollte hier vom Datum her eigentlich bereits in vollem Gange sein, wir lauschen in die Dunkelheit hinein und hören – nichts. Es ist zu warm. Aber was soll’s, es ist der erste Morgen, und wir sind guten Mutes. Patrick pirscht mit Miro, Boray mit dem ortsansässigen Jäger Istvan und ich mit dem Jagdführer Stipe. Wir wünschen uns gegenseitig Waidmannsheil und verschwinden sternförmig in drei Richtungen. Es ist noch ruhig im Wald, so gehen wir langsam Schritt für Schritt gegen den Wind auf einer breiten, gemähten Schneise tiefer in den dunklen Wald hinein. Ab und an halten wir inne, lauschen und nutzen die Wärmebildkameras, um nicht versehentlich in Wild hineinzulaufen. Die Schneisen erinnern mich an die Jagd in der Sologne, wo die Reviere ähnlich für die Drückjagd oder die Venerie, hoch zu Ross, erschlossen werden. Hier, in der Baranja, wird allerdings nur gepirscht, oder man wartet eine Weile auf den massiven Hochsitzen, die auf großen Waldkreuzungen stehen, und lauscht in den Wald hinein oder passt das Wild ab, das das frische Gras der Schneisen äst.

So geht es von Schneise zu Schneise. Auf einigen sind Wild- oder Wühläcker angelegt, und so treffen wir an diesem Morgen mal auf Reh-, mal  auf Schwarzwild, das auf diesen Flächen äst oder nach Fraß wühlt. Als die Sonne schon vom Himmel brennt, kommen wir an einen Kanal, der zwar trocken ist, aber an einigen Stellen durch solarbetriebene Pumpen so viel Wasser führt, dass Sauen und Rotwild diese zum Suhlen nutzen. An diesem Morgen aber bekommen wir weder ein Stück Rotwild in Anblick, noch bemerken wir irgendein Brunftgeschehen. Gegen 09:30 Uhr treffen wir unsere Freunde im alten Tito-Jagdhaus zum Frühstück. Wir genießen den starken Kaffee und tauschen uns aus. Lediglich Boray, der vom bereits betagten Istvan geführt wird, bekam Rotwild – auch starke Hirsche – in Anblick. Allerdings standen alle Stücke im dichten Bewuchs und waren somit nicht frei für einen waidgerechten Schuss. Patrick und Miro haben, wie wir, nur Rehwild und Sauen im Bestand entlang der Schneisen gesehen. Immerhin. Wir verabschieden uns, um et-was Schlaf nachzuholen. Mittags, so hat Miro uns versprochen, wolle er uns zum Essen in ein kleines, rustikales Restaurant abholen.

Gegen 16:00 Uhr solle es dann zurück ins Revier gehen. Frisch ausgeruht und wohlgenährt, teilen wir uns am späten Nachmittag wieder auf und verfolgen dieselbe Taktik wie am Morgen. Allerdings ist es immer noch sehr heiß. Die Hände an den Ohren zu großen Muscheln geformt, lauschen wir angestrengt in den Wald. Nichts. Die Sonne kämpft sich nur noch mit wenigen Strahlen durch den dichten Wald, bis sie schließlich ganz verschwunden ist. Langsam treten Stipe und ich den Rückweg an, als es in einiger Entfernung kracht. Schalldämpfer sind in Kroatien nach wie vor verboten, daher hören wir den Schuss in aller Deutlichkeit. Aufgeregt greift Stipe nach seinem Mobiltelefon und tippt Miros Nummer ein, denn aus seiner Richtung kam der Schuss.

Ein glückliches Grinsen zieht sich über sein Gesicht, und er flüstert „Patrick“. Wir beeilen uns, lassen uns nach einer Weile im Dunkeln von den hektischen Bewegungen zweier Taschenlampen leiten und treffen schließlich auf zwei glückliche Jäger. Miro und Patrick hatten sich nach kurzer Pirsch auf einem der Hochsitze an einer Waldkreuzung eingerichtet. Zunächst kam nichts in Anblick, dann aber, kurz nach dem Sonnenuntergang, hörten sie krachende Geräusche im Bestand, und ein starker Hirsch stand scheibenbreit rund 150 Meter vor ihnen. Miro hatte ihn freigegeben, und Patrick konnte einen guten Schuss antragen, den der Hirsch mit kurzer Flucht quittierte. Mittlerweile sind auch Boray und Istvan mit dem Pick-up bei uns. Wir liegen uns in den Armen und freuen uns gemeinsam über diesen gelungenen Ausgang des ersten Jagdtages. Wir bergen den Hirsch und versorgen ihn gemeinsam am Jagdhaus, wo wir ihn anschließend gebührend tottrinken.

Der nächste Tag war heiß, nach einer erfolglosen Morgenpirsch verspricht auch die Abendpirsch nichts Gutes.

Stipe und ich pirschen durch den Wald bis an den Feldrand. Boray und Istvan wollen sich am Kanal umsehen, und die beiden erfolgreichen Jäger nehmen den Weg, auf dem das andere Team zuvor viel Wild gesehen hatte. Wir passieren eine große Suhle, die, wie wir sehen und riechen, frisch angenommen ist. Draußen auf dem Feld steht noch der Hafer, und Stipe ist zuversichtlich, dass wir dort Rotwild in Anblick bekommen. Eine neu gestellte große Leiter am Waldrand bietet genügend Platz für uns beide. Deutlich kann man Wechsel vom und in den Wald und auch Äsungsspuren im Feld erkennen.

Als die Sonne versinkt, hören wir, wie Hirsche weit vor uns melden. Angespannt glasen wir die weiten Felder vor uns ab. Bei Sonnenuntergang tauschen wir Fernglas gegen Wärmebildkamera, um in der Ferne etwas erkennen zu können. Und tatsächlich sehen wir weit entfernt, einige Hundert Meter vor uns, Rotwild. Aber es ist bereits zu spät und das Wild zu weit entfernt, sodass wir abermals ohne Beute mit den Freunden im Jagdhaus zusammenkommen. Stipe, Miro und Istvan sitzen etwas abseits und besprechen die Taktik des letzten Jagdmorgens. Für den kommenden Nachmittag ist eine Weinprobe und für den Abend ein Abschieds-Gulaschessen am Jagdhaus geplant. Wir drei sehen es eher gelassen, hatte uns die Reise bislang doch so viele großartige Eindrücke und gemeinsame Momente geschenkt. Ich glaube, diese Einstellung veranlasste eine göttliche Instanz, das Thermometer über Nacht um einige Grade herunterzudrehen. Und so stehen wir frühmorgens, umgeben von einem einmaligen Brunftkonzert im dunklen Wald, an den Autos und beeilen uns, fertig zu werden. So ziehen wir los in den noch dunklen Wald, den Wind im Gesicht, den Rufen entgegen. Nach zwei Biegungen bleiben wir stehen.

Ein Hirsch meldet unversehens ganz in der Nähe. Ich schalte mein Leica Calonox View ein, um etwas zu erkennen. So gewaltig die Rufe auch klingen, aus dem Wald vor uns tritt ein ganz junger, wenn auch stärkerer Hirsch. Ich schalte auf Videoaufnahme und beobachte, wir er sich uns nähert, erst in unserem Rücken Wind bekommt und schließlich abspringt. Die Rufe werden mehr und stärker, langsam graut der Morgen. Eine Viertelstunde später bricht ein Schuss aus der Ecke, wo wir Boray und Istvan wissen. Wir schauen uns an, gehen weiter. Miro hat keinen Empfang, so pirschen wir weiter, ungewiss, was geschehen ist. Jetzt ist der Morgen da, und es ist ruhig geworden im Wald. Wir entscheiden uns, nicht weiterzugehen, und setzen uns auf einen Hochsitz. Stipe steht unten und versucht sich abermals mit dem Kuhhorn. Erst ist es still, dann kracht es von rechts. Ich nehme die Waffe hoch. Ein Schmaltier steht auf der Schneise vor mir.

Nicht weit, vielleicht auf 150 Meter, dann folgt das Tier und mit etwas Verzögerung ein Rothirsch. Ich brauche nicht lange, um zu wissen, der kann, der soll es sein. Der Schuss bricht, der Hirsch zeichnet gut, startet durch und bricht nach kurzer Flucht im Unterholz zusammen. Jetzt summt auch Stipes Telefon. Es ist Istvan – Boray konnte am Kanal bei der Suhle einen wirklich starken Kronenhirsch erlegen. Ich bin glücklich. Kurz überlegen wir, welches Stück zuerst geborgen werden soll. Stipe organisiert einen Mitarbeiter mit einem geeigneten Fahrzeug, den wir am Kanal treffen. Gemeinsam bergen wir mit dem überglücklichen Schützen den starken Hirsch und transportieren ihn zum Jagdhaus. Auf dem Weg dorthin laden wir meine Morgenbeute auf und versorgen beide Stücke gemeinsam. Was für ein Morgen, welch aufregende, spannende Tage!

Produktinformationen

Wärmebildkamera

Leica Calonox View

Entfernungsmesser

Leica Geovid R 8×56

Zielfernrohre

Leica Magnus 1.8-12×50

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