Wenn mich eine Jagdart wirklich reizt, dann ist es die Jagd am sommerlichen Getreide. Nachts die Schadstellen im milchreifen Weizen mit der Wärmebildkamera zu beobachten und die Sauen, wenn sie denn zu Schaden gehen, anzupirschen und eventuell Beute zu machen ist für mich eine der reizvollsten Jagden. Aber wenn wir feststellen, dass Sauen im Mais stecken, trotz chemischer Vergrämung und Elektrozaun, dann ist das noch einmal etwas ganz anderes. Klar, ich habe gut reden, denn ich stehe draußen und muss mich nicht wie meine Frau und unsere Freunde bei sommerlicher Hitze Meter für Meter durch das Mikroklima des Maisfeldes vorankämpfen. Bei dieser Jagd kann einfach alles passieren – oder aber auch gar nichts, wie wir so oft selbst erleben durften.

Umso mehr freute ich mich im vergangenen Jahr über die Nachricht unseres Freundes und Jagdaufsehers Patrick, dass die Sauen im Mais stecken. Beim allabendlichen Rundgang rund um den großen Maisschlag hatte er die untrüglichen Spuren des Ein- und Auswechselns bemerkt, eine Wildkamera am Wechsel aufgehängt und zwei Drückjagdböcke aus dem Wald herausgeholt und passend aufgestellt. Da wir ohnehin an diesem Wochenende ins Revier fahren wollten, war schon alles gepackt – nur das Leica Tempus Leuchtpunktvisier und eine orange Signalweste kamen noch in den Rucksack.

Am Freitag erreichen wir spätnachmittags den Hunsrück. Wir fahren noch rasch an das Maisfeld, um uns selbst davon zu überzeugen, was uns berichtet wurde. Der Zaun führte Strom, die Wechsel – zwischen den beiden eigens aufgestellten Drückjagdböcken gelegen – waren gut befahren, und zahlreiche Schneisen führten durch den Zaun in den Maisschlag hinein. Das deutete unzweifelhaft auf ärgerlichen Schaden, aber auch möglicherweise auf einen spannenden Samstagvormittag hin.

Am Samstagmorgen treffen wir uns in gewohntem Kreis. Patrick und ich stehen draußen auf den beiden Drückjagdböcken, Ilka, unser Sohn Johannes, Marcel, unser zweiter Jagdaufseher, und Mario, ein Hundeführer, machen sich unten beim Dorf, an der Unterseite des großen Maisschlages, fertig. Die Sonne brennt, und so haben wir, nachdem vorsorglich der Strom abgeklemmt wurde, Wassertröge rund um das Maisfeld verteilt, falls sich Mensch und Tier, aus dem Höllenklima tief drin im Mais herausgekommen, abkühlen wollen.

Als wir schließlich für alles gewappnet auf den Drückjagdböcken stehen, gebe ich meiner Frau durch, dass sie loskönnen. Sogleich setzten dann das laute „Hopp, hopp!“ und das Hundegeläut ein (in dem Fall tatsächlich das Läuten der kleinen Glöckchen, die wir schon vor 20 Jahren aus Frankreich mitgebracht hatten). Im Treiben ist das ganz praktisch – kracht oder raschelt es, kann alles kommen, läutet oder klingelt es dabei, wird es wohl ein Hund sein. Besonders im Mais ist es wunderbar und hilfreich, um die Orientierung und die Hunde im Auge zu behalten. Aus meinen Gedanken gerissen, sehe ich Patrick vor mir zum Mais weisen. Sauen? Abwarten und vorbereitet sein! Jetzt sehe ich, wie sich die Maisstängel 80 bis 100 Meter vor mir links im Feld bewegen. Es raschelt, es rauscht, Stängel bewegen sich weiter in meine Richtung. Und es läutet, klingelt hell. Die Hunde! Klar, der Spaniel, Setter und die Terrier sind deutlich schneller im Mais unterwegs als die treue Treiberwehr. Ab und an kommt einer der schutzwestenbewehrten Hunde zur Orientierung raus, um nur wenige Sekunden später wieder in den Maisschlag einzutauchen. Keiner der Hunde gibt jedoch derartig Laut, dass wir beide auf den Drückjagdböcken Herzklopfen bekommen müssten. Dann sehe ich Ilka nach einer guten halben Stunde oben am Kopfende des Maisschlages auftauchen. „Nichts!“, höre ich sie rufen und resigniere etwas. Aber das sollte nichts heißen, schon einmal haben wir den Schlag mehrfach durchlaufen, und erst zum Schluss brachen die Sauen explosionsartig in alle Richtungen aus dem Mais.

Die Treibergruppe sammelt sich, die Hunde schöpfen Wasser. Ich telefoniere kurz mit Ilka. Sie will mit der Treiberwehr über die Teerstraße auf der anderen Seite des Maisschlages zurück zum unteren Ende laufen und das Feld nochmals durchdrücken. So weit der Plan. Gedankenversunken stehe ich auf dem Bock und lehne mich an die Brüstung. Die Waffe ruht entspannt vor mir, das Leuchtabsehen ist noch an. Dann kracht es ganz plötzlich mächtig im Mais. Ganze Stängelreihen brechen in meine Richtung um. „Ilka kann doch unmöglich schon wieder unten sein“, denke ich. Ein Hund? Mehrere? Ich höre kein Klingeln der Glöckchen – dann sehe ich den schwarzen Rücken, wie er den Blühstreifen vor dem Mais, den er um einiges überragt, durchpflügt. Sau, klar, aber was …? Bache? Keiler? Ich backe an, ziehe mit. Die Sau ist schnell unterwegs, kennt kein Hindernis. Jetzt bricht sie durch den Draht – ich erkenne die Waffen. Keiler! Automatisch spanne ich die Steyr, ziehe Richtung Teller – es sind keine 50 Meter. Rums! Die Sau zieht, ohne zu zeichnen, auf dem Wechsel rechts in den lichten Erlenbestand. Ich repetiere, ziehe hinterher – sie steht jetzt auf ca. 75 Meter vor einem Graben. Rums, dann verschluckt sie der Wald. Mein Herz rast, ich beobachte den Wald rechts, versuche etwas zu entdecken. Nichts. Ich rufe meine Frau an, berichte ihr. Sie meint, es wäre klüger, den Mais nochmals durchzudrücken, um gegebenenfalls weitere Stücke herauszutreiben. Sie hat natürlich recht, mich plagt indes die Ungewissheit.

Erleichtert vernehme ich die Glöckchen der Hunde. Nach hinten versetzt, folgen ihnen die Treiber. Und da sehe ich auch schon unsere Spanielhündin Birdy, die brav auf der Fährte des Keilers aus dem Maisfeld herausläuft und mich damit von der quälenden Ungewissheit befreit. Die Hündin hat die Fährte aufgenommen und bleibt interessiert dort stehen, wo ich meine, auf dem Keiler abgekommen zu sein. Ich rufe Ilka, die sich durch den Mais kämpft, doch sie scheint mich nicht zu hören. Noch einmal, und dann sehe ich auch schon ihren Kopf aus dem Maisfeld ragen. Ich zeige in Richtung Wald und auf die Stelle, wo Birdy die Fährte aufgenommen hat. Ilka läuft los, weiter aus dem Mais heraus. Die Hündin ist bereits weiter auf dem Fluchtwechsel der Sau hinterher, und ich mache mir Sorgen – so ein kranker Keiler kann durchaus mehr als nur Ärger machen. Aber jetzt höre ich ihr lang anhaltendes Gebell. Sie hat ihn gefunden. Er liegt – offenbar gleich hinter dem Graben.

Ilka, die sich schnell auf den Weg gemacht hatte, der Hündin auf dieser selbstständigen Nachsuche zu folgen, ruft mir jetzt zu: „Keiler liegt!“ Ich bin erleichtert und mache mich auf zum Stück. Auch Patrick ist jetzt da, und während wir noch dastehen, uns freuen und überlegen, wie wir das Stück bergen sollen, stoßen auch die anderen dazu.

Gemeinsam ziehen wir den Bassen aus dem Graben den Hang hinauf. Die Hitze ist jetzt schon nahezu unerträglich, und wir müssen zusehen, dass wir das Stück schnellstmöglich aufbrechen und versorgen. Ich liebe solche Tage, an denen alles passieren kann. Oder auch nichts. Aber das ist, entschuldigen Sie bitte die Phrase, Jagd.

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