Heinz Sielmann (* 2. Juni 1917 in Rheydt; † 6. Oktober 2006 in München) kam schon früh mit seinem späteren Berufsfeld in Verbindung. Sein Vater war ein begeisterter Jäger und Angler und nahm ihn schon in Kindheitstagen mit in die Natur. Er prägte den Jungen mit seiner Aussage: “Die Natur ist ein Gottesgeschenk, Tiere und Pflanzen sind Teil unseres Lebens.”

Später ergänzte es Heinz Sielmann so: „Meinen Eltern habe ich viel zu verdanken. Mein Vater war ein großer Naturfreund, auch ein sehr guter und leidenschaftlicher Jäger und hatte ein sehr artenreiches Revier, in das ich schon als Kleinkind mit hinausging. Ebenso oft gingen wir zum Angeln. Ich habe dabei wertvolle Anregungen bekommen für das Naturverständnis.”

Schon als Zehnjähirger durchstreifte er alleine die Natur seines ostpreußischen Wohnortes Königsberg, und in den frühen 1930er Jahren hatte er u. a. eine Schraubleica dabei, mit der er seine Eindrücke von den Wiesen und Wäldern festhielt. “In meiner Kindheit sah ich viele Tierarten und der Wunsch erwachte, sie alle mit Namen zu kennen. Ebenso wollte ich Näheres über ihre Lebensweise erfahren. Dazu gehörte ein gutes Fernglas, viel Geduld und sehr viel Zeit. Das Glas fand ich im Schreibtisch meines Vaters und die notwendige Zeit wurde von den Schulaufgaben eingespart. Was ist schon Schule, wenn man solch interessantes Treiben beobachtet?” In meiner Kindheit sah ich viele Tierarten und der Wunsch erwachte, sie alle mit Namen zu kennen.

Er machte dann auch rasch seinen Jugendjagdschein und übte das “rote Handwerk” Zeit seines Lebens aus, ob in Deutschland oder im Ausland, wenn es galt, Fleisch für seine Expeditionen zu machen. Diese hatten immer einen Zweck: Naturgerechte und spannende Tierfilme zu fertigen, die noch heute vielen im Gedächtnis sind. Zunächst legte er seinen Schwerpunkt auf Kinofilme, dann von 1965 bis 1991 folgte die Sendungen “Expeditionen ins Tierreich”, die seinen Status als Legende bestätigten.

“Für einen guten Tierfilm ist es unerlässlich, das Leben des Wildes so darzustellen, wie sie in der Natur ablaufen. Dass man sie als Zuschauer deutlich beobachten kann, so dass langatmige Erklärungen eines Sprechers gar nicht mehr nötig sind. Film bedeutet Filmsprache. Soll es ein guter Film sein, kann man sich auf wenige gesprochene Worte beschränken. Auch musikalische Begleitung kann in den Hintergrund rücken, um dafür die Stimmen der Tiere und die Atmosphäre ihres Lebensraumes akustisch wiederzugeben. Mir war immer wichtig, die Tiere unserer Heimat zu zeigen und da vor allem solche Lebensbereiche, die sonst dem menschlichen Auge verborgen bleiben.”

In Deutschland ging Sielmann oft alleine zum Jagen. Bei Gesellschaftsjagden war er selten anzutreffen und wenn, dann warb er für den Natur- und Artenschutz oder schuf Verbindungen zwischen Tierschutz- und Jagdorganisationen, was damals wie heute nicht einfach war. Wenn man es aber in den Kontext setzt, kann durchaus eine fruchtbare Zusammenarbeit entstehen.

Er setzte sich für eine nachhaltige, eine ethische Jagd ein, lange bevor es zum Modewort wurde. Besonders hatte es ihm die Jagd auf Schwarzwild angetan: “Kaum war ich einige Schritte gegangen, als ich wütendes Hundegebrüll hörte. Gleich darauf fielen zwei Schüsse. Ich blieb stehen. Es rumpelte im Dickicht. Das Hundegebell kam mal von links, mal von rechts. Dann hörte ich`s fauchen und blasen wie starken Wind. Als ich mich umdrehte, sah ich ein schnaubendes Hauptschwein hervorbrechen wie einen gedungen wirkenden Kampfpanzer, mehr als eineinhalb Meter lang und gut einen Meter hoch, die Rückenborsten gesträubt, der schmale spitze Kopf wie ein Rammbock gesenkt, der schwarze Rüssel vorgereckt und die Ohren aufgerichtet, die gebogenen Hauer scharf wie geschliffene Krummdolche. Was für ein Anblick!

Seine Äuglein sprühten ungebärdige Kampfeslust. Und dieser dicke Brocken kam schnurstracks auf mich zu. Unbewusst tat ich das einzig Richtige: Ich sprang rasch beiseite hinter einen Baum – aus der Marschrichtung des Dickhäuters in schützende Deckung. Das schwarze Ungetüm donnerte an mir vorüber. Sein gesträubter Schwanz stand steil empor, was für mich höchste Gefahr signalisierte. Ich sah, dass der Schwarzkittel angeschossen war. Er schweißte, wie wir in der Jägersprache sagen. Eine Blutspur zeichnete seinen Fluchtweg. Gleich darauf sah ich einen Jagdhund den rasenden Wildeber hetzen. Der aber kümmerte sich gar nicht um seinen wütenden Verfolger, sondern nahm den Jäger an, wie ich gleich darauf erkannte.

Offenbar hatte der Grünrock, noch jung und unerfahren, schlecht gezielt oder aus Angst zu hastig den Abzug durchgezogen… Jetzt stand er mitten auf dem Waldweg, die Büchse an der Schulter. Unbeschreiblich gewandt, drohend den Kopfe gesenkt, um dann blitzschnell seine Hauzähne nach oben zu reißen, griff der Schwarzkittel den Jäger an. Ich dachte schon: Jetzt ist es passiert! Da schoss der Jäger und sprang beiseite. Das Schwein fuhr hoch und zuckte zusammen. Es rannte, torkelte, Blut strömte aus, dann brach es ruckartig zusammen. Der Jäger war kalkbleich und nickte mir abwesend zu.”

Über das Schwarzwild wusste Sielmann generell einiges zu berichten, da er sich diesem mehr als einmal mit dem Stativ alleine verteidigen musste: “Ein starker Keiler wird den Menschen ungereizt nicht angreifen und sich immer bemühen, rechtzeitig die Flucht zu ergreifen. Dagegen kann ein angeschossener Keiler zu einem furchtbaren Gegner werden, der den Jäger blitzschnell anrennt und ihn mit seinen weit herausstehenden Zähnen, den “Gewehren”, übel zurichten kann. Vor Jahrhunderten wurden Keiler sehr viel mit der Lanze, der “Saufeder”, gejagt, eine recht waidmännische Auseinandersetzung, bei der der Jäger den gereizten Keiler auf die Lanze zurennen ließ. In vielen Fällen ist es passiert, dass ein großes starkes “Hauptschwein” den Spieß umdrehte und dem Nimrod so starke Verletzungen zufügte, dass er starb.”

Heinz Sielmann war viel in der Welt unterwegs, Afrika und Kanada waren da nur zwei Stationen, wo er häufig anzutreffen war. Ihn faszinierten neben den Tieren auch die Menschen, deren Ursprünglichkeit und Eigenheiten. Bei diesen Naturvölkern stand auch immer die Jagd hoch im Kurs, er nutzte dieses Thema auch immer um eine Gemeinsamkeit zu schaffen und so einen Bezug für seine weitere Tätigkeit vor Ort herzustellen. Die funktioniert auch heute noch und ist ein guter Rat für Weltreisende, egal ob auf dem schwarzen Kontinent oder im hohen Norden.

“Eskimo” bedeutet so viel wie “Rohfleischesser” (da sie in Eis und Schnee kaum Feuer machen konnten um die Nahrung zu erhitzen), sie selber nennen sich “Inuit”, was einfach “Mensch” bedeutet. Sie bilden eine Gruppe von mongolischen Stämmen, sind von Alaska bis Grönland verbreitet  und mit den Indianern nicht näher verwandt. Schon in ihren alten Sagen und Mythen sind sie mit der Jagd verbunden, der Schamane bewirkt mit seinen Beschwörungen das Übrige.

Vor allem für den Winter war es überlebenswichtig, genug Jagdbeute zu finden. Hauptbeute waren und sind Robben, Wale und Walrosse. Nur die Eskimos an der Westküste der Hudsonbay erlegten auch Karibus. Auch heute noch jagen und fischen sie im hohen Norden, sie genießen als Ureinwohner ein bedingt freies Jagdrecht. Sielmann erzählte:”Für Eskimos und Indianer war das Wildtier, das sie mit Pfeil und Bogen, mit Speer und Messer jagten, eine lebende Nahrungsmittelreserve, ein stets nachwachsendes Vorratslager. Sie erlegten immer nur so viele Hirsche, Bisons, Bären, Robben und Wale, was sie zum Leben brauchten. Und sie verwendeten nicht nur das Fleisch und das Fell, sondern auch Muskeln, Sehnen, Knochen, Innereien, Hörner. Nichts ging verloren. Alles konnten sie verarbeiten. Ihre Jagd war mühsam und gefährlich. Vor allem auf den Bären: Früher hatten die gewaltigen Eisbären bis auf den Menschen keinen Feind. Der Inuitmann trat ihm nur mit ein paar Hunden und dem Speer in der Hand entgegen.

Das war auch für Mensch und Hund eine gefährliche, nicht selten tödliche Sache. So konnte der Jäger seine lebenswichtige Beute machen oder der Bär konnte entkommen. Es gab für jeden eine faire Chance. Sie baten den Geist ihrer Beutetiere um Verzeihung, eh sie auf die Pirsch gingen. Sie hatten und haben Ehrfurcht vor der Natur und ihren Geschöpfen. Ende der 1960er Jahre war ich dort und fuhr mit zwei Eskimos auf Expedition, auf der wir auch jagten. Abends am Feuer, nach dem wir Karibusteaks genossen hatten und ich eine Runde Zigaretten spendierte, erzählten sie sich uralte Geschichten von Jagdpech und Anglerglück, sagenhafte Begegnungen aus einer fernen Zeit, die der Vater dem Sohn überlieferte und später dem Enkel, über Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg.

Es sind die ewigen Geschichten von Mut und Feigheit, von Gewinnen und Verlieren, vom Leben und vom Sterben. Für mich klingen die Erzählungen wie eine Melodie, denn ich verstand die Worte nicht. Aber ich las den Sinn aus den Augen, den Mienen, den Handbewegungen der Männer. Sie sind Angehörige ihres eigenen Volkes, dem wir Weißen die Lebensart genommen haben. Dass sie in ihren Herzen noch lebendig ist, habe ich an jenem Abend erfahren, denn ihre Sehnsucht gehört dem, was sie verloren haben.”

Heinz Sielmann, der in seinen letzten Lebensjahren noch zum Professor ernannt wurde, hatte Zeitlebens ein Fernglas dabei, wenn er auf Tour war. Nicht selten war es eines von der Firma Leitz/Leica und da meist das leichte Trinovid 10 x 40. Selbst heute – fast 60 Jahre später – ist es ein gesuchtes, funktionelles Glas. Interessant ist, dass die Jahrzehnte dem Glas kaum etwas anhaben konnten. Brillanz und Schärfe sind heute noch mehr als ausreichend, und einige Kratzer verleihen dem gutem Stück Charakter.

Der Produktname Trinovid weist dabei auf drei (“tri”) Neuheiten (“nov”, Novität) hin, die das Modell zur damaligen Zeit zum “State of the Art” machten. Schlankes Design mit angenehmer Ergonomie, echte Innenfokussierung und hohe Abbildungsleistung waren die drei Neuheiten, mit denen das Trinovid eine bis dahin unerreichte Qualität auf dem Markt der Ferngläser erreichte dargeboten hat. Bei der echten Innenfokussierung wurden nur die Linsen im abgedichteten Fernglas und keine äußeren Objektiv- oder Okularteile verschoben. So entsteht beim Fokussieren weder okular- noch objektivseitig eine Saugwirkung, durch die  Schmutz oder Feuchtigkeit in das Glas eindringen können.

Heinz Sielmann liebte die freie, möglichst unberührte Natur, in allen Ländern, dennoch stand er den Zoos und Wildparks offen gegenüber und empfahl auch deren lehrreiche Einflussmöglichkeit:”Heutzutage braucht man nicht mehr auf Safari zu gehen, um zum Beispiel das Verhalten der Löwen in einer naturnahen Umgebung hautnah mitzuerleben. Großzügig gestaltete Freigehege, in denen der Besucher das Tier gerade in seiner natürlichen Verhaltensweise intensiv beobachten kann, gehören heute zu dem Konzept eines modernen zoologischen Gartens. Zoos sind Anschauungsunterricht vor der Haustüre, gerade für Kinder und Jugendliche. Dadurch wird die Liebe zum Tier und die Liebe zur Natur geweckt bzw. gesteigert.”

Sielmann war öfters Gegenstand von Berichten in der Jagdpresse, er schrieb auch einige Artikel dafür. Der letzte wurde 2003 in “Jagd in Bayern” publiziert, der u. a. folgende, richtungsweisenden Worte enthielt, die auch als Schlusswort dieses Artikels dienen und uns Jäger inspirieren sollten: “Jagd ist praktizierter Naturschutz! Das sage ich Ihnen als seit Jahrzehnten engagierter Naturschützer und Naturfilmer.

Nach den vielen Jahren meiner Tätigkeit für unsere Tier- und Pflanzenwelt kann ich Ihnen mit all meiner Erfahrung sagen: Nirgendwo tut die Jagd so viel für den Naturschutz wie bei uns in Deutschland. Deshalb braucht sie kompetente Vertreter in Bundes- und Landesparlamenten. Die Jagd leistet einen bedeutenden Beitrag für den Erhalt der charakteristischen Naturlandschaft, um die Sie so viele andere – Urlauber, Erholungssuchende und Naturliebhaber – beneiden. Jagd gehört zu unserer Kultur. Sie begleitet uns Menschen seit Beginn unseres Daseins, hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt und ist aus unserem heutigen Gesellschaftsleben und dem praktizierten Naturschutz nicht mehr wegzudenken.”

Text
Dr. Frank B. Metzner mit Karoline Dotterweich
Bilder
Archive, Tierstiftung, Heinz Sielmann Stiftung

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