Als Journalist bekommt man regelmäßig Artikel anvertraut, um diese in der Praxis auszuprobieren und darüber zu schreiben. Meist nehme ich die dann monatelang auf Jagden im In- und Ausland mit, wo ich ausreichend Zeit, Muße und Praxis habe.

So sind Stärken und Schwächen schnell festgestellt, wie beim Leica Calonox was mir in Afrika bei Nachtansitzen gute Dienste leistete oder ein Buschläufermesser, welches beim ersten Einsatz am Parierelement brach. Gerne gebe ich diese Artikel auch an befreundete – erfahrene wie unerfahrene –  Jäger weiter, die aus ihrem Standpunkt heraus Pro und Contra begutachten sollen. Denn so ergeben sich unterschiedliche Blickwinkel, Problem- und Lösungsansätze auf die man selber nicht kommt.

Mitte letzten Jahres hatte ich ein neues Leica Fortis ZF aus Wetzlar zum Test bekommen, das ich an meinen Freund Samuel weitergab, einen quasi hauptberuflichen Sportschützen, der das Glas auf sein High-End Gewehr montierte und es regelmäßig zum Training, zum Munitionstest, als auch zur Jagd einsetzte.

Hier sein Bericht:

„Es ist 18:45 Uhr, ich liege hangaufwärts an einem kleinen Gebüsch, da ich Bewegung am Waldrand in ca. 160m wahrgenommen habe. Ich messe die Entfernung mit meinen gebraucht erstandenen Leica CRF 2800 und kann im letzten Büchsenlicht ein Stück Rehwild auf 166m Entfernung am Waldrand erkennen. Meine Waffe liegt perfekt auf meinem Rucksack auf, die Schulterstütze auf meinen Schießsack aufgelegt. Ich verstelle die Parallaxe des Fortis 6 bis das beleuchtete Absehen und der Bock, selbst mit achtfacher Vergrößerung, glasklar zu erkennen sind. Es dämmert schon, aber die Optik kann das etwas ausgleichen. Bei meinen zwei anderen Zielfernrohren aus den USA – die ich sonst verwende – ist das Bild hier erkennbar dunkler und nicht so scharf. Kugelfang ist gegeben, ich mache fünf Klicks nach oben und bringe meinen Leuchtpunkt tief hinter das Blatt des Bocks, da ich bergauf schieße. Mein rechter Zeigefinger zieht den Abzug langsam bis zum Druckpunkt, zu dreiviertel ausatmen und Luft anhalten, langsam den Druck am Abzug erhöhen.

Ein Knall schallt durch das Tal im Spessart und der Bock liegt im Schuss. Der Treffer lag genau dort wo er sein sollte. Kammerschuss, tief in den Wildkörper eingedrungen, mittig der Ausschuss. Präzises Arbeiten, Training und das wiederholgenaue Zielfernrohr haben das ermöglicht. Ich hatte es schon viermal am Stand eingesetzt und weiß, dass es mit der Montage keinen Setz- oder gar Probeschuss braucht, wenn ich es zu Transportzwecken abnehme. Ich wurde vom einem Freund Frank gebeten, ob ich Zeit hätte ein Leica Zielfernrohr zu testen. Da ich bislang mit Leica nur im Bereich Ferngläser oder Laserrangefinder zu tun hatte, sagte ich natürlich zu. Seit ca. einem Jahr bin ich im Besitz eines Leica Rangemaster 2800.com. Er leistete mir bereits auf vielen Jagden und Long Range Terminen treue Dienste, insbesondere in Kombination mit meinem Kestrel 5700 Elite. Somit war ich auf das Zielfernrohr sehr gespannt.

Und so lag es im Spätsommer vor mir: Ein Leica Fortis 6 (1.8 – 12 x 42 i).

In Verbindung mit der Innenschiene des Leica Fortis 6 1.8 – 12 x 42 i sowie der Picatinny-Rail auf dem Gewehr ergibt sich eine exakt anzupassende Verbindung und eine wiederholgenaue Montage.

Als erstes fiel mir auf, dass das ZF angenehm leicht war und die Verstelltürme flach aufbauten. Leider war nur ein Bikinicover dabei und keine klappbaren Kappen. Das würde ich bei einem etwaigen Kauf sofort nachrüsten. Mein Tipp hier sind die hauseigenen Flip Caps aus Aluminium – nicht aus Plastik -, die robust sind und das wertvolle Ausrüstungsteil schützen.

Der erste Blick durch das ZF zeigte, dass Leica, genau wie in ihren Ferngläsern, die Vergütung der Linsen wie kein anderer Hersteller leistet. Trotz des geringen Objektivdurchmessers von 42mm hat man selbst bei schlechten Lichtverhältnissen ein grandioses Bild. Einzig und alleine bei der kleinsten Vergrößerung von 1.8x erscheint ein minimaler schwarzer Rand, der aber nur dem geneigten Beobachter ins Auge fällt. Ich habe es verschiedenen Jägern gezeigt, älteren Waidmännern ist es selbst nach genauen Hinweisen nicht aufgefallen, hier hat die Natur schon ihren Gang genommen. Es wird Presbyopie genannt; die Sehkraft wird schwächer, da die Linse im Auge ihre Flexibilität verliert.

Am ZF selbst ist eine Schiene verbaut, sodass ich meine ERA-Tac Montage verwenden konnte. Das ZF war dank der Schiene innerhalb von drei Minuten auf der Waffe verbaut. Es war kein Gegenprüfen mit einer Wasserwage usw. notwendig, wie bei einer normalen Ringmontage. Eine Prüfung zeigte trotzdem schon mal, dass das Absehen zu 100% perfekt gerade im ZF verbaut ist. Das habe ich teilweise bei anderen hochklassigen Herstellern schon anders erlebt, was insbesondere beim Schießen auf große Distanzen zu enormen Problemen führen kann. Ich habe dieses ZF auf Außenschießständen auf gut 1.000m ohne jede Funktionseinbuße eingesetzt.

Die Innenschiene (hier mit der ERA-TAC Montage und dem nötigen Werkzeug) – gerade in Verbindung mit Picatinny – erlaubt eine millimetergenaue Einstellung.
Entfernungen von 250 – links unten – bis über 1000 Meter – rechts oben – sind zu Testzwecken mit diesem Leica ZF beschossen (und getroffen) worden.

Die Dioptrienverstellung funktioniert wie bei den meisten Herstellern und deckt einen Bereich von +3 bis -4 ab. Ich selber brauche das noch nicht, aber das wird noch kommen. Die Größenverstellung läuft flüssig, nicht zu fest und nicht zu leichtgängig. Man kann es im Anschlag mit der nicht-dominanten Hand (die dominante bleibt immer am Gewehrkolben) leicht verstellen, ohne dass die locker aufliegende Waffe aus dem Ziel geht. Der Turm zu Höhenverstellung ist mir schon beim Auspacken positiv ins Auge gefallen. Man hat eine Absehenschnellverstellung, welche durch einen Drehring gesichert ist. Das ist insbesondere auf der Pirsch oder dem Waffentransport im Jagdrucksack unabdingbar, da man bei schlechten Lichtverhältnissen oder in der totalen Dunkelheit häufig nicht gegenprüfen kann, ob sich der Turm verstellt hat. Der Drehmechanismus ist angenehm und rastet satt, aber ohne ein Geräusch ein. Klasse, gefällt mir gut.

Die Klickverstellung ist 0.1 MRAD, also 1cm auf 100m pro Klick. Damit kann man arbeiten, das ist leider nicht bei allen Gläsern so.

Wenn die Waffe angeschossen und genullt ist, hat man einen Verstellbereich von 9.5 MIL (95 Klicks), was für die Jagd völlig ausreichend ist. Bei meiner Kombination aus Munition und Waffe im Kaliber .308 Win reichten die 9.5 Mil bis Stahlziele auf 790m. Darüber hinaus muss dann – nach alter Väter Sitte – der Schütze sein Einsatzmaterial kennen und den Haltepunkt höher wählen. Der Turm zur Seitenverstellung ist von einer Drehkappe verdeckt. Das ist auch gut so, denn diesen Turm benötige ich nur zum Anschuss meiner Waffe. Wind und Bewegung des Ziels werden durch Anhalten mit dem Absehen ausgeglichen und nicht durch Klicken. Gerade auf die „normalen“ jagdlichen Distanzen bis zu 300m geht das schnell und verlässlich, etwas Training vorausgesetzt.

An der linken Seite des Zielfernrohrs befindet sich das Batteriefach (CR 2032) für die Absehenbeleuchtung. Diese ist in neun Helligkeitsstufen, ohne Zwischenstufen, einstellbar. Die Stufen sechs bis neun sind so hell, dass selbst bei Tag auf geringer Vergrößerung das ZF perfekt zur Drückjagd geeignet ist. Einziger kleiner Kritikpunkt hier ist, dass man ggf. die Kappe vom Batteriefach mit Handschuhen beim zurück schalten der Beleuchtung aufdrehen könnte.

Die ebenfalls am linken Turm befindliche Parallaxeverstellung ist von 50m bis unendlich drehbar. Für jagdliche Distanzen bis mindestens 150m ist dies zu vernachlässigen. Wenn der Jäger nicht „exakt gerade“, sondern schon „leicht schräg” durch das Okular zielt, entsteht der Zielfehler Parallaxe. Die Seh- und die optische Achse sind gegeneinander verschoben, die „gedachte gerade Linie“, die von der Absehenmitte zum Ziel verläuft ist nicht mehr gegeben und wird – gerade auf größere Entfernungen – zum falschen zielen und damit zwangsläufig zu Fehlschüssen führen. Die meisten ZF sind bei 100m parallaxefrei, was für viele Anwendungen genügt. Wer aber weiter schießen möchte, wie z. B. bei der Gebirgsjagd oder gar im sportlichen Bereich, der kommt da an seine Grenzen. Mit dem Parallaxenausgleich dieses Fortis ZF wird mittels Linsenverschiebung der Parallaxefehler auf die gewünschte Schussentfernung korrigiert sowie gleichzeitig die Bildschärfe nachreguliert, um weiterhin das Ziel gestochen scharf zu sehen.

Das Absehen des Leica Fortis liegt in der zweiten Bildebene, in meinem Fall handelt es sich um das L4A. Das Absehen sagt mir zu, das ist auch meine Wahl, auch wenn ich die erste Bildebene bevorzuge, da ich so die Entfernung besser abschätzen kann, aber das ist eine individuelle Vorliebe. Abschließend kann ich sagen, dass mir das ZF drei Monate treue Dienste geleistet hat. Insbesondere durch die kleine Vergrößerung von 1.8fach ermöglicht das ZF, bei Nutzung eines Wärmebildvorsatzgerätes wie dem Calonox, dass das gesamte Sichtbild des Monitors im Vorsatzgerät zu sehen ist.

Ein tolles Glas für jeden Einsatz, welches einen enormen Vergrößerungsbereich hat und vielfältig von Drückjagd bis zu Schüssen auf große Distanzen eingesetzt werden kann.“


Text und Fotos: Dr. Frank B. Metzner

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