Manchmal lassen bestimmte Lebensumstände ganz plötzlich einen Kindheitstraum wahr werden. So erging es Pascal, der aus Bordeaux stammt und dann Grundbesitzer in Andalusien wurde und zwar in der Sierra Morena, am Rande des Nationalparks Hornachuelos.

Nachdem wir Madrid im Schneetreiben verließen, fuhren wir Richtung Cordoba, eine der bedeutendsten andalusischen Städte, die durchaus einen Umweg verdient. Es ist schon Nacht als wir das Dorf Villaviciosa de Cordoba durchfahren, bevor wir 15 Kilometer weit einer Landstraße folgen, die uns schließlich vor ein großes Eingangstor führt. Dort weist uns ein Schild unübersehbar darauf hin, dass unsere Anreise hier endet: „Privates Jagdrevier!“

Es ist schon spät, für die Spanier aber genau der richtige Zeitpunkt, zu Tisch zu bitten und wir vermögen uns den verführerischen Düften, die aus der Küche der Frau des Aufsehers dringen, ohnehin nicht zu entziehen. Beide stammen aus dem Dorf und leben das ganze Jahr über auf diesem Anwesen, das sie hüten wie einen Familienschatz. Wir befinden uns im Herzen der Sierra Morena, aber Pascal vergisst seine Wurzeln nicht und bietet uns einen köstlichen Pineau des Charentes, Jahrgang 1973, an. Wir werden gut schlafen…

Früh morgens liegt das rund 600 Hektar große Gelände noch im Dunkeln und Raureif bedeckt die spärlichen Pflanzen am Boden. Der Grund ist von einem regenarmen Winter gezeichnet, was die zahlreichen Pinien und Eichen – zu unserer großen Verwunderung – jedoch nicht zu beeinflussen scheint. Pascal erklärt uns, dass der Untergrund von Palomas vom Grundwasser gespeist wird, wovon die zahlreichen alten Brunnen in der Gegend zeugen. Doch woher stammt eigentlich der Name Las Palomas, den auch ein kleiner blauer Vogel trägt, dessen Flügel beim Schlagen ein klackendes Geräusch verursachen? Die Antwort erfahren wir erst später, beim Verlassen der Hacienda. Als der Tag erwacht, entdecken wir eine Ruine auf einem Hügel, deren Säulen der Akropolis würdig wären. Pascal erklärt uns, es handele sich um einen alten Taubenturm, der den Brieftauben der spanischen Armee während des Bürgerkriegs als Anlaufstelle diente. Von hier oben aus genießen wir einen uneingeschränkten Blick auf das Anwesen, das aus einem sehr schroffen, bergigen und einem eher sanften, flachen Teil besteht. Hinter der Finca offenbaren sich atemberaubende Schluchten, die Hochplateaus durchfurchen. Schluchten, auf deren Grund es Bachläufe gibt, die zeitweilig vom Grundwasser gespeist werden. Das sieht nach körperlicher Anstrengung aus und nach Wild, wobei sich die Jäger auf das weniger steile Gelände fokussieren. Die Spuren der Hirsche, des Damwilds, der Mufflons und Wildschweine lassen keinen Zweifel offen!

Pascal liebt sowohl die Pirsch als auch die Ansitzjagd. Zwei Jagdmethoden, die er in seinem Revier ausüben und auch Jagdgästen anbieten kann. Den Pirschstock in der einen Hand, das Fernglas in der anderen, bewegen wir uns auf leisen Sohlen durch Pinien, Eichen und einem das Unterholz zierenden Teppich aus Zistrosen vorwärts. Diese Vegetation ist uns fremd und wir kommen mehrfach nur für einen ganz kurzen Moment in den Anblick von Wild. Darunter ein herrlicher Keiler, der offensichtlich nur wenige Schritte vom Weg entfernt verweilte, den wir jedoch nur noch beim Blick durch unser Fernglas erhaschen. Wir müssen noch viel langsamer vorangehen und unsere Augen erst an dieses andalusische Biotop gewöhnen. Immer wieder queren wir die bestens gewarteten Wege der Finca, sehen aber auch Wildspuren und Bachen mit Frischlingen. Es wird später und um 10 Uhr müssen wir zurück zur Finca, wo uns ein äußerst umfangreiches Frühstück erwartet.

Das Wort Siesta stammt aus Spanien, weshalb man dieser Tradition wohl auch folgen muss. Erst am späten Nachmittag geht es zurück zur Jagd. Dieses Mal bringt uns Pascal mit seinem Auto zum am weitesten von der Finca entlegenen Winkel, am anderen Ende des Jagdreviers. Unterwegs zeigt er uns einige von ihm gebaute Ansitze, die meisten von ihnen stehen in der Nähe von Wasserstellen. Einige Hände voll Mais liegen in den Futterstellen, deren Gitter Hirschen den Zugriff unmöglich machen, allerdings nicht den Sauen. Obwohl uns Pascal erklärt, dass das Schwarzwild der Region eigentlich keine nennenswerte Körpermasse entwickelt, bekommen wir einige ansehnliche Keiler zu Gesicht. Jetzt geht es zu Fuß weiter, durch tiefe Schluchten mit unzugänglichen Steilhängen. Dennoch gewinnen wir schließlich etwas an Höhe und plötzlich zieht ein Knacken unsere Aufmerksamkeit auf sich. Auf der anderen Seite des Tals ergreift eine Wildschweinrotte die Flucht. Wir können erst nicht viel sehen, machen dann jedoch einen Keiler aus, der das Schlusslicht bildet und genau unserer Erwartung entspricht. Schwarze und rötliche Silhouetten verschwinden im Unterholz und manchmal ermöglichen uns kleine Lichtungen in der Dickung einen flüchtigen Blick, der uns letztendlich Aufschluss gibt. Der Keiler bildet noch immer das Schlusslicht. Die Waffe liegt auf dem Pirschstock und wir verfolgen den Keiler durch das Zielfernrohr, als die Rotte plötzlich auf einer Lichtung verharrt. Wir befinden uns an einem Überhang, das Entfernungsmesser zeigt 183 Meter an und eine Zielkorrektur von neun Zentimetern. Der Keiler wird von Vegetation verdeckt und nur eine Sau hebt sich von den anderen ab, die alle dicht bei der Leitbache verweilen. Es ist unsere einzige Chance, jeder weitere Schuss wäre dem Zufall überlassen. Der Schuss bricht und das Wildschwein geht sofort zu Boden. Es ist tot. Alles geschah innerhalb weniger Sekunden und wir können es noch gar nicht fassen. Nach einem circa halbstündigen Fußweg sind wir schließlich an Ort und Stelle. Die Kugel drang oberhalb der Schulter ein und trat an der gegenüberliegenden Schulter aus, nachdem sie lebenswichtige Organe durchdrungen hatte. Der Keiler musste nicht leiden. Was man von uns nicht gerade behaupten konnte… bis wir endlich den Keiler geborgen haben, der schließlich zu einem Estofado de Jabali und weiteren kulinarischen Spezialitäten verarbeitet wurde.

Noch ist der Tag nicht zu Ende. Doch bevor es auf den Ansitz geht, müssen wir warme Kleidung einpacken – die Abende sind noch immer recht kalt. Die ersten Sterne funkeln bereits am Himmelszelt als wir uns in absoluter Stille dem Ansitz nähern. Plötzlich zieht ein Knacken unsere Aufmerksamkeit auf sich. Wildschweine nähern sich, ohne uns gewahr zu werden. Als die Leitbache aus der Dickung bricht, dreht der Wind und der Schwarzkittel entschwindet in Lichtgeschwindigkeit – gefolgt von vier mittelbraunen, ebenso schnellen Sauen. Die Büchse ist geschultert, allerdings kann der Schuss aufgrund der starken Vergrößerung des Zielfernrohres nicht brechen. Dann bricht ein weiteres Tier aus der Dickung und dieses Mal passt es dank minimaler Vergrößerung und Leuchtpunktvisier. Welch meisterhafter Ausklang der andalusischen Pirsch mit französischem Touch!

Kontakt
Hacienda Las Palomas, Villaviciosa de Cordoba
Pascal Nordlinger
Tel.: +33/603 08 21 51
Mail: pascal@nordlinger.fr

Nach der Jagd
Andalusien bietet – abgesehen von der Jagd – noch weitaus mehr. Las Palomas liegt ideal, um die Städte Cordoba oder Sevilla zu besuchen oder einen Tag am Meer bei Malaga zu verbringen. Oder man verweilt ganz einfach am Pool und genießt die Annehmlichkeiten der Finca. Man sollte keinesfalls vergessen, den berühmten Pata Negra Bellota-Schinken zu kaufen, der in den ortsansässigen Metzgereien angeboten wird und von Schweinen aus lokaler Freilandzucht stammt. Reinster Genuss für die Augen, die Nase und den Gaumen.11

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