Seit über zwei Jahren hatten wir nun das Leica Calonox Wärmebild-Vorsatzgerät im Dauertest. Ein Test eines neuen technischen Gerätes über zwei Wochenende ist eine Sache. Hierbei kann man die wichtigsten Eigenschaften probieren und beschreiben. Beschäftigt man sich aber monatelang damit und schiebt einige Denkpausen ein, dringt man wesentlich tiefer in die Thematik ein.
Nach über 150 Reviergängen, Nachtansitzen und acht Auslandsjagden hat das Gerät nichts von seiner Faszination verloren, um damit wortwörtlich „Licht ins Dunkel zu bekommen“. Für die jüngere Generation ist die Technologie in Sachen Nachtsichttechnik sowie Schalldämpfer normal, sie sind damit aufgewachsen, für die Gruppe Ü40 ist das immer noch „neu“. Früher hat man „vermutet“, es gar als „Wildererwerkzeug bezichtigt“, jetzt kann man mit Bestimmtheit sagen „was sich nähert“ und somit eine exakte Einschätzung vornehmen. Selbst die konservativen Jäger ändern ihre Meinung, wenn sie einmal – auch tagsüber – verdeckt stehende Stücke sehen, abgesetzten Nachwuchs ausmachen, genauer die Trophäenstärke einschätzen können.
Als Höhepunkt der Testserie stand dann im Herbst 2023 eine dreiwöchige Flugreise in mehrere Länder Afrikas an, bei dem die Jagd und die Tierbeobachtung im Vordergrund stand. Hierbei haben wir die Version „Sight SE“ mitgenommen, eine preisgünstige Variante, die dafür nicht „jede Spielerei“ (z. B. keine Bluetooth-Schnittstelle) und einen reduzierten Lieferumfang hat. Zum Anfang seien jedem Neubenutzer die Leica Video-Tutorials ans Herz gelegt. Von den ersten Schritten bis zum Einschießen wird alles ausführlich erklärt, selbst für diejenigen, die bisher mit dieser Thematik nicht so vertraut sind. Wer schon öfters ein solches Produkt in den Händen hatte, für den ist das meiste selbsterklärend.
Mit einer definierten Zielgröße von 1,7 x 0,5 Metern kann das Leica Calonox Sight SE bis zu einer Entfernung von 2.000 Metern Ziele erfassen, bis auf 700 Meter erkennen und bis auf 350 Meter zweifelsfrei identifizieren. Durch das große Sehfeld kann der Jäger das Umfeld dabei immer im Auge behalten, was zusätzliche Sicherheit bietet. Mit den vier Farbmodi Red Hot, White Hot, Black Hot und Rainbow, kann der Jäger die zur Beobachtungssituation am besten passende Darstellungsart wählen und so noch sicherer ansprechen.
Die verschiedenen Farbmodi in der Anwendung und zum Vergleich (Vor der Jagdreise in die Slowakei).
Bis heute hat es keine Materialermüdung oder Abschwächung in der Darstellungsleistung gegeben. Der Vanadiumoxid-Sensor erzeugt immer noch ein feines Bild mit einer hohen Detailauflösung. Und das kann man nicht von jedem Gerät sagen, dass wir in der Eiseskälte eines Frachtraumes beim Interkontinentalflug oder dann in der afrikanischen Hitze, im Innenraum eines Jeeps – in dem es bis zu 50° heiß werden kann – transportierten.
Das Gerät ist einfach zu bedienen, drei gummierte Druckknöpfe genügen. Sie funktionieren noch wie am ersten Tag; Staub, Sonnenöl und Wasser hatte ihnen nichts ausgemacht. Andere Tester in Fachmagazinen oder auf YouTube – die sonst zu guten Gesamtergebnissen gekommen sind – haben die Druckpunkte der Knöpfe bemängelt, was wir so nicht stehen lassen können. „Trocken und leichtgängig“ ist unsere Einschätzung, quer durch drei Generationen von Jägern. Der Fokussierring vorne am Gerät lässt sich mit leichtem Aufwand drehen, verstellt sich nicht unbeabsichtigt und ermöglicht so ein scharfes Bild in Sekundenschnelle.
Erwähnenswert ist der „Fog and Rain Modus“, der das Bild bei raueren Wetterbedingungen verbessert. Es können vier Benutzerprofile gespeichert werden, meist haben wir nur zwei benötigt. Die Programme hatten keinen Ausfall, die Gewindegänge sind einwandfrei, der Kunststoffüberzug klebt nicht, da gibt es nichts Negatives. Die Akkuleistung beträgt im Durchschnitt gute neun Stunden, wir haben gut 150 Ladezyklen durchgeführt, es entstand kein Memory-Effekt. Wir hatten das Gerät zur reinen Beobachtung in der Hand, als auch auf dem Zielfernrohr, hier ein Leica Visus 2,5-10 x 42. Das Gewicht ist mit 658 gr. annehmbar. Und was das Wichtigste ist: Die Wiederholgenauigkeit beim Aufsetzen war gegeben.
Für Kenner: Im Leistungszentrum Philippsburg wurde das Leica von einer deutschen Spezialeinheit (abgekürzt SE, „passend“ zu dem Produktnamen) dem berühmten Alufolien-Test unterzogen und hat mit Bravour bestanden, u. a. hat hier die exakt zentrierte und dickwandige Kollimatorlinse überzeugt.
Bei den Spezialisten für Observation ist besonders – gerade im Vergleich zu den Geräten der Mitbewerber – das feine und detailreiche Bild positiv aufgefallen. Verantwortlich ist dafür die digitale Bildverarbeitung (Leica Image Optimization / LIOTM), die das Bild mit Algorithmen in Bezug auf Farbabstufung, Kontrast und Detailauflösung optimiert.
Zurück zur Jagd: Es war fantastisch zu beobachten, wie Oryxantilopen (Oryx) in der immer noch warmen Wüstennacht über die namibianischen Dünen ziehen, Ihre Kämpfe austragen und stolz dahinschreiten. Der Sable (Hippotragus niger) ist ebenso schön anzusehen, auch wenn dieser gerne die Deckungen des Dickbuschs in Angola ausnutzt. Leider haben wir seinen „großen Bruder“, den Giant-Sable (Hippotragus niger variani) – selbst nach tagelanger Pirsch – nicht gesehen.
Die Bildleistung war im trockenen Klimas Afrikas besser als im nassen Hochland von Schottland, die Nachkalibrierung am Zielfernrohr erfolgte automatisch. Pixelfehler – die man mit einem internen Programm hätte beseitigen können – sind nicht aufgetreten.
Zum Fazit: Der im Gegensatz zu den Mitbewerbern höhere Preis ist vielfach von den Nutzern angesprochen worden, jedoch darf man nicht vergessen, dass es sich um ein Premiumprodukt handelt. Eine deutsche Menüführung wäre wünschenswert, bei den wenigen Fachbegriffen reicht aber allgemeines Wissen aus. Was ich vermisst habe, ist eine Foto-/Videofunktion, diese ist den teureren Modellbaureihen vorbehalten.
Das Leica Calonox SE können wir dem preisbewussten Anwender als Kauftipp empfehlen. Es ist hochwertig verarbeitet, die Sensorgröße reicht vollkommen aus, es ist scharf und mit den vier Farbmodi praxisgerecht. Es erleichtert die Jagd, hält was die Werbung verspricht, und funktioniert tadellos, auch nach vielen Einsätzen in drei Kontinenten.
Aktuell: Der Preis ist nun auf gut 2.600 Euro bei den bekannten Internetversandhändlern gefallen, der Preis für den Klemmadapter von Rusan liegt bei gut 150 Euro.
Bilder, Video und Text: Dr. Frank B. Metzner